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Hallo, schön, dass es dich hierher verschlagen hat. 😁
Hier sind ein paar Eckdaten über mich:
Mein Name ist Natascha Toman, ich komme aus Österreich und sitze seit Geburt im Rollstuhl. Da aufgrund meiner körperlichen Behinderung (Cerebralparese, Athetose) auch mein Sprachzentrum betroffen ist, verwende ich im Alltag einen Sprachcomputer - denn gerade für fremde Personen ist es so gut wie unmöglich, meine doch sehr spezielle Artikulation verstehen zu können.
Meinen Alltag bestreite ich hauptsächlich mit persönlicher Assistenz: Ich bin berufstätig und versuche nebenbei meine persönlichen Erfahrungen zum Thema UK zu teilen - hierzu halte ich Vorträge.
Außerdem bin ich seit November 2021, gemeinsam mit Mayal Petersen, Fachvorstand für UK-Nutzer und UK-Nutzerinnen bei der Gesellschaft für Unterstützte Kommunikation (kurz: GesUK).
Und ich bin auch die Initiatorin des Blogs.
Wenn du mehr über mich wissen möchtest, schau gerne mal auf meiner Facebook-Seite vorbei: https://www.facebook.com/UKfuerAlle
Aber nun würde ich dir gerne eine kleine Geschichte aus meiner Kindheit erzählen. 😊
Der Gedankenaufsatz
Als Kind war ich sehr bedacht darauf, meinen eigenen Namen immer und immer wieder handschriftlich festzuhalten, in der Hoffnung dieses Gekritzel irgendwann einmal als meine Unterschrift verwenden zu können. Sehr zum Leidwesen meines Vaters, denn am liebsten verewigte ich mich auf dem Titelblatt der Tageszeitung – zumindest an Tagen, an denen ich gut drauf war. Wenn ich nicht so gut drauf war und mich meine künstlerischen Signaturen nicht zufrieden gestellt haben, wusste ich diese auf minutiöse Art und Weise zu zerstören.
Aus den täglichen Blättern wurden also, wenn es gut lief, grobe Wochenzusammenfassungen (ich empfand den Nachrichtenkonsum meines Vaters sowieso als überzogen). Ja, ich war ein sehr ruhiges Kind …
Nachdem ich mir eingestehen musste, dass feinmotorische Tätigkeiten nicht gerade zu meinen Stärken zählen und eine Unterschrift nie der anderen glich, wurde selbst mir letztendlich bewusst, dass ich alleine nie so viele Persönlichkeiten haben werde, wie ich Signaturen kreiere. So gab ich mich Jahre später, mit dem Wissen nie selbst unterschreiben zu können, geschlagen.
Außerdem habe ich auf die Wiedereinführung des Petschafts gehofft – ein großes Versäumnis in der heutigen Zeit, wie ich finde.
Als ich älter wurde, habe ich herausgefunden, was ich damals damit eigentlich bezwecken wollte. Ich habe immer schon gerne geschrieben, ganz gleich ob Gedichte, Kurzgeschichten oder wenn sich mein Hirn wieder einmal eine Fantasiewelt zusammengesponnen hat – ich war einfach sehr kreativ. Nur leider fehlte mir oft das nötige Werkzeug um diese Gedanken niederzuschreiben.
Auch wenn man mir bereits in der Grundschule das Schreiben auf einer Computertastatur beigebracht hat, waren meine Finger damals noch viel zu langsam und mein Kopf wiederum viel zu schnell; kaum hatte ich ein Wort abgetippt, war ich gedanklich schon beim nächsten oder übernächsten Satz und hatte längst keine Ahnung mehr, was ich eigentlich schreiben wollte.
Es machte schlichtweg keinen Spaß und ich wurde regelrecht schreibfaul.
Wie gerne hätte ich oftmals einfach darauf los geschrieben, ohne dass mir mittendrin der Gedankenfaden reißt oder mir meine Hand-/Fingerkoordination so große Mühe bereiten, dass ich sie irgendwann nicht mehr akkurat kontrollieren kann und gezwungen bin, eine Schreibpause einzulegen. Und wie oft habe ich mir gewünscht, mich mit Stift und Zettel irgendwohin zu verkriechen und einfach ortsungebunden (bzw. auch PC-unabhängig) schreiben zu können. Denn gerade beim Spazierenfahren, im Auto und vor allem am Klo fielen mir immer die besten Zeilen ein. Auf Smartphones & Co. konnte ich zu dieser Zeit auch noch nicht zurückgreifen, die gab es damals noch nicht und selbst wenn: ich habe Jahre gebraucht um mit diesen kleinen Gefährten umgehen zu können – also hätte dies auch nicht zur erhofften Sofortlösung geführt.
Auch heute bin ich mit meiner linkshändigen 3-Finger-Schreibmethode nicht gerade die Flotteste (aus diesem Grund schreibe ich jetzt fast alles mit meinem Eyetracker, aber den hatte ich in meiner Schulzeit noch nicht).
Trotzdem habe ich mir in Laufe der Zeit eine eigene Technik angeeignet, mit der ich mir auch die Lust und Freude am Schreiben zurückerobert habe. Ich weiß noch, wie mich meine Deutsch-Professorin verdattert angesehen hat als ich diese Technik zum ersten Mal bei einer Klassenarbeit angewandt habe. 20 Minuten nachdem sie uns die Testangaben ausgehändigt hat, kam sie zu mir und sagte mit leiser, besorgter Stimme: „Du hast ja noch gar nichts geschrieben?! Ist alles okay?“. Ich brauchte ein wenig bis ich meine Antwort in einem Word-Dokument ausformuliert hatte: „Ja, alles gut. Ich schreibe ja eh schon.“. Sichtlich irritiert von meiner Aussage schweifte ihr Blick zwischen meinem Bildschirm und mir umher. „Hast du etwa noch ein zweites Dokument offen? Zeig mir das mal bitte…“, verschärfte sich ihr Ton. Ich tippte wieder darauf los: „Nein, ich schreibe in Gedanken ...“. Nun drohte ihr der Blick endgültig zu entgleiten. Wahrscheinlich hätte in dem Fall ein kleiner Nebensatz zur Aufklärung durchaus geholfen. Ein „… und anschließend übertrage ich meinen Gedankenaufsatz selbstverständlich in ein Word-Dokument“ hätte hierfür sicherlich schon genügt. Ich habe es dann jedoch darauf beruhen lassen, schließlich ging es um meine Prüfungszeit - die sowieso jedes Mal viel zu knapp bemessen war…
Seither greife ich auf diese Methode immer wieder gerne zurück.
Ich schreibe zwar nur mehr selten ganze Texte damit, weil es einfach anstrengend ist und sehr viel Energie verbraucht, aber für Absätze erfüllt diese Technik immer noch seinen Zweck. Der Großteil meiner Beiträge besteht beispielsweise aus vielen einzelnen Gedankenabsätzen, die mir zwischendurch irgendwann einmal in den Sinn kommen und die ich später in meine Texte mit einfließen lasse.
Und wie ist das bei dir? Hast du auch ähnliche Schreibtechniken, oder ist deine Hand-(bzw. Augen)-Kopf-Synchronisierung so ausgereift, dass du nichts dergleichen brauchst? Hast du einen Lieblingsschreibplatz? Oder auch Orte, an denen du gar nicht schreiben kannst?
Ich bin absolut nicht neugierig, aber ich freue mich über Kommentare. 😉
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Jochen Neudert (Montag, 09 Januar 2023 09:45)
Hätte es in meiner Schulzeit schon eine Augensteuerung gegeben, hätte ich einen richtigen Schulabschluss bestimmt geschafft. Diktate waren furchtbar für mich. Meine Eltern sind manchmal überrascht, was ich alles weiß. Die Augensteuerung ist das beste was mir passieren konnte.
Marius Buchert (Montag, 23 Januar 2023 11:40)
Ich habe mit meinen Augen Probleme und ich schreibe nur mit meiner linken Hand mit einem Finger auf dem Talker. Ich bin Einzelkind und meine Eltern haben sich getrennt. Meine Mutter hat mich allein großgezogen, obwohl sie berufstätig war. Wie sie das alles geschafft hat ist für mich noch heute unfassbar. Meine Eltern arbeiten und versorgten mich noch mit, das ist unfassbar.